17.01.2017, 06:00 Uhr | Lesedauer: ca. 5 Minuten |
Der europäische Dachverband der Kunststoff- und Gummimaschinenhersteller Euromap entwickelt für die Branche entsprechende Standards mit Datenmodellen auf Basis von OPC UA - (Bild: Euromap). Industrie 4.0 im Spritzgießprozess sowie Fortschritte beim Präzisionsspritzguss sind die Schwerpunkte der diesjährigen VDI-Jahrestagung Spritzgießen, die am 21. und 22. Februar im Kongresshaus Baden-Baden stattfindet. Vertiefen können Interessenten ihr Wissen beim Spezialtag „Lean Management als Voraussetzung für Industrie 4.0“. "Um den Anschluss an die sich verändernde Arbeitswelt nicht zu verpassen, widmet sich die diesjährige VDI-Jahrestagung Spritzgießen daher mit einer Vielzahl von Vorträgen vor allem dem Thema Industrie 4.0", sagt Kerstin Krallmann, Geschäftsführerin der Erwin Quarder Werkzeugtechnik GmbH & Co. KG in Espelkamp - (Bild: Erwin Quarder Werkzeugtechnik GmbH & Co. KG). Schwerpunktfragen, die der VDI-Programmausschuss Spritzgießtechnik unter Vorsitz von Martin Würtele, Krauss Maffei Technologies GmbH in München, dabei für die Jahrestagung erarbeitete, sind unter anderem: Was bedeutet Industrie 4.0 in der Kunststoffindustrie? Wie gestaltet sich der Weg für ein Unternehmen in die Industrie-4.0-Welt? Wieviel Industrie 4.0 ist in der Kunststoffindustrie zweckmäßig, speziell im Spritzguss? Wie vernetze ich ein Unternehmen sinnvoll, um die Effizienz und Qualität zu steigern und dabei flexibel zu bleiben beziehungsweise flexibler zu werden? Zum Thema Fortschritte im Präzisionsspritzguss wird es in Baden-Baden Fachvorträge aus den Bereichen Materialherstellung, Werkzeugbau, Messtechnik sowie Oberflächengestaltung im Spritzgusswerkzeug geben. Aber auch die Möglichkeiten der Prozesssimulation werden betrachtet. Optimierungspotenziale beim Spritzgießen durch Prozessüberwachung Prozessoptimierungen sind vor dem betriebswirtschaftlichen Hintergrund und mit Blick auf Umweltaspekte auch beim Spritzgießen oft unumgänglich. Die Hochschule Rosenheim beschäftigt sich unter anderem intensiv mit den Themen „Prozessführungsmethoden beim Spritzgießen“ und „Temperaturregelung“. Michael Späth vom Studiengang Kunststofftechnik an der Hochschule Rosenheim wird zur VDI-Jahrestagung Spritzgießen die Vorgehensweise bei einer gesamtheitlichen Prozessanalyse für den Spritzgießprozess darstellen - (Bild: Hochschule Rosenheim). Im Bereich der Temperaturregelung entwickelte die Hochschule eine neuartige modelprädiktive Regelung (kurz MPC – model predictive controller) für den Aufheizprozess eines Plastifizierzylinders. Diese Regelmethode berechnet und optimiert unter Verwendung eines Prozessmodells fortlaufend die Stellgrößen der Regelung. Durch das Prozessmodell werden Verknüpfungen zwischen sich gegenseitig beeinflussenden Regelelementen erstellt, wodurch deren Wechselwirkungen mit in die Berechnung der Stellgrößen einfließen. Hierdurch wird die Regelstrecke optimal angesteuert und beispielsweise ein Überschwingen über die Solltemperatur vermieden. Das Ergebnis ist eine Verringerung der Aufheizzeit sowie des Energieverbrauchs. "In einer konkreten Anwendung wurde im Zuge eines Forschungsprojekts ein MPC-Regler für den Aufheizprozess eines Spritzgießaggregats entwickelt, mit dem 36 Prozent Zeit und 15 Prozent Energie eingespart werden konnten", nennt er ein Beispiel, welches mögliche Einsparpotenziale aufzeigt. Standardisierter Industrie 4.0-tauglicher Datenaustausch „Durch einen intensivierten Datenaustausch zwischen den Maschinen in der Prozesskette können sowohl die Produktqualität als auch die Effizienz und Maschinenverfügbarkeit gesteigert werden. Dabei sind standardisierte Schnittstellen der Schlüssel für eine herstellerübergreifende Kommunikation ohne individuellen Anpassungsaufwand“, sagt Dr. Harald Weber vom VDMA-Fachverband Kunststoff- und Gummimaschinen - (Bild: VDMA). "Wenn Maschinen sich gegenseitig über ihre Zustände unterrichten und produktbeziehungsweise prozessbezogene Parameter austauschen, können sich andere beteiligte Maschinen darauf einstellen und identische Daten müssen nicht mehrfach erhoben werden. Dies führt letztendlich zu einer gesteigerten Produktqualität und einer höheren Prozesseffizienz. Wird beispielsweise ein Trockner genauer über den Materialbedarf der nachfolgenden Spritzgießmaschine informiert, können die internen Prozesse im Trockner daraufhin optimiert werden", nennt er Einsparpotenziale und Optimierungen, die bei einer konsequenten Umsetzung denkbar sind. Fortschritte im Präzisionsspritzguss durch passende Messtechnik Um Optimierungsmöglichkeiten an Spritzgussbauteilen und die entsprechende Nutzung von Messtechnik geht es im Beitrag von Dr.-Ing. Winfried Schmidt, Leiter Forschung und Entwicklung bei der Oechsler AG in Ansbach. "Es gibt sehr viele, insbesondere technische Spritzgussteile wie beispielsweise Gehäuseteile für Aktuatoren oder Elektronikbauteile, für die es notwendig ist, die Optimierung bis zur Freigabe durch den Kunden zu beschleunigen und damit Zeit und Kosten einzusparen", sagt Schmidt. Er wird Potenziale aufzeigen, mit denen es möglich ist, Spritzgussteile schneller in der notwendigen Qualität zu erstellen. "Bei Nutzung der passenden Messtechnik sind deutliche Einsparungen an Zeit und Kosten möglich, wie beispielsweise eine komplette Korrekturschleife im Optimierungsprozess", ergänzt er. Management soll Mitarbeiter für Industrie 4.0 begeistern "Man sollte Industrie 4.0 primär als Wachstumsschub betrachten und nicht so sehr als Mittel zur Kostenreduzierung. Keine Innovation der Welt ist zustande gekommen, weil man primär nur Kosten reduzieren wollte", sagt Prof. Dr. Gunther Olesch, Geschäftsführer der Phoenix Contact GmbH & Co. KG, im Vorfeld der VDI-Jahrestagung Spritzgießen - (Bild: Phoenix Contact). Unsicherheiten gegenüber Industrie 4.0 müssten durch umfangreiche Informationen durch das Management abgebaut werden und Betriebsräte sollten eingebunden werden. Schließlich müsse das Management durch Glaubwürdigkeit und Wertschätzung die Mitarbeitenden zu Industrie 4.0 motivieren, wenn nicht sogar begeistern. Mit Blick auf die Einsparpotenziale sagt Olesch: "Man sollte Industrie 4.0 primär als Wachstumsschub betrachten und nicht so sehr als Mittel zur Kostenreduzierung. Keine Innovation der Welt ist zustande gekommen, weil man primär nur Kosten reduzieren wollte." 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